Sozialversicherungsrecht [30.04.2024] Borreliose als Berufskrankheit bei einem Landwirt auf dem Altenteil Nebenberuf schließt Borreliose als Berufskrankheit nicht aus Borreliose kann auch bei einem Nebenerwerbslandwirt oder einem Altenteiler als Berufskrankheit anerkannt werden. Dies hat das Sozialgericht München in einem Grundsatzurteil entschieden. Der Kläger des Verfahrens hilft als Rentner regelmäßig im landwirtschaftlichen Betrieb seines Sohnes insbesondere bei der Heuernte sowie bei Wald- und Holzarbeiten mit. Dabei kommt es häufig zu Zeckenbissen. Beim Kläger war im Sommer 2022 eine akute Neuro-Borreliose festgestellt worden. Die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft hat die Anerkennung als Berufskrankheit mit der Begründung verweigert, dass beim Kläger keine erhöhte Infektionsgefahr durch die zeitlich begrenzte Mitarbeit bestünde. Bei einer Tätigkeit von nur 60 Tagen im Jahr überwiege das Risiko, sich im privaten Bereich zu infizieren.
Sozialgericht München, ra-online (pm/ab) Arbeitsrecht [30.04.2024] Kündigung einer Professorin wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens rechtmäßig Vorherige Abmahnung aufgrund der Schwere der Verletzung "in einem Kernbereich der Pflichten einer Professorin" nicht erforderlich Das Arbeitsgericht Bonn hat die Klage einer angestellten Professorin der Universität Bonn gegen ihre Kündigung abgewiesen. Die Klägerin war seit 2021 im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses im Fachbereich Politikwissenschaften als Universitätsprofessorin tätig. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31.03.2023. Sie wirft der Klägerin vor, in insgesamt drei ihrer Publikationen die Grundsätze der guten wissenschaftlichen Praxis nicht eingehalten zu haben, indem sie jeweils an verschiedenen Stellen plagiiert habe. Die Klägerin bestreitet, dass sie in den drei Werken die Grundsätze der guten wissenschaftlichen Praxis habe einhalten müssen. Dies folge aus dem populärwissenschaftlichen Charakter der Werke. Zudem handele es sich bei den von der Beklagten monierten Stellen um bloße Zitierfehler. Sie erreichten in ihrer Anzahl kein erhebliches Maß. Der Klägerin sei auch im Rahmen des universitären Untersuchungsverfahrens keine hinreichende Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden. Jedenfalls sei die Kündigung unverhältnismäßig, da die Beklagte eine Abmahnung als milderes Mittel hätte aussprechen können.
Arbeitsgericht Bonn, ra-online (pm/ab) Schadensersatzrecht [30.04.2024] Dieselskandal: Kein Schadensersatz wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen Kein Vermögensschaden entstanden Im Streit um Schadensersatz wegen behaupteter Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen wies das Amtsgericht München eine Klage gegen einen Automobilhersteller auf Zahlung von 2.175 EUR ab. Die Klägerin hatte im März 2016 einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten Pkw zu einem Bruttokaufpreis von 14.500 EUR gekauft. Das Fahrzeug verfügt über einen Dieselmotor und wird von der Klägerin weiterhin genutzt. Der aktuelle Kilometerstand betrug nach Angaben der Klägerin 291.333 km. Die Klägerin behauptete, dass das Fahrzeug mehrere unzulässige und gesetzeswidrige Technologien (Abschalteinrichtungen) im Zusammenhang mit der Abgasrückführung und -nachbehandlung enthalte und machte einen Vermögensschaden in Höhe von 15 % des Kaufpreises geltend. Die Beklagte vertrat die Auffassung, die Klägerin habe schon nicht substantiiert vorgetragen, dass im streitgegenständlichen Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut seien. Zudem sei ein vermeintlicher Differenzschaden jedenfalls wegen der erlangten Vorteile kompensiert.
Amtsgericht München, ra-online (pm/ab) Verwaltungsrecht [30.04.2024] Zweitwohnungssteuersatzungen der Gemeinden Timmendorfer Strand und Hohwacht sind unwirksam Steuermaßstab stellt Verstoß gegen das Gebot der steuerlichen Belastungsgleichheit dar Der 6. Senat des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts hat gestern die Sat-zungen über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer in den Gemeinden Timmendorfer Strand und Hohwacht im Rahmen von Normenkontrollanträgen für unwirksam erklärt (Az. 6 KN 1/24 und 2/24). Die Gemeinden hatten in die Satzungen aus dem Jahr 2020 bzw. 2021 einen neuen Steuermaßstab aufgenommen, nachdem das Oberverwaltungsgericht mit Urteilen vom 30. Januar 2019 den bis dahin verwendeten Steuermaßstab für verfassungswidrig erklärt hatte. Der neue Steuermaßstab orientiert sich maßgeblich an dem Lagewert, ergänzt um weitere Faktoren wie Größe und Alter der Zweitwohnung. Der Lagewert entspricht dem jeweiligen Bodenrichtwert des Grundstücks, auf dem sich die Zweitwohnung befindet.
Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein, ra-online (pm/ab) Immobilienrecht / Wohneigentumsrecht [29.04.2024] Ausgeschiedener Verwalter muss formal ordnungsgemäße Abrechnung nicht korrigieren Korrektur durch neuen Verwalter möglich Gegen den ausgeschiedenen Verwalter besteht kein Anspruch darauf, die formal ordnungsmäße Abrechnung zu korrigieren. Dies kann vielmehr der neue Verwalter übernehmen. Dies hat das Amtsgericht Berlin-Pankow entschieden. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Auf einer Eigentümerversammlung von Wohnungseigentümern in Berlin im Oktober 2023 wurde die Genehmigung der Jahresabrechnung 2021 wegen Fehler abgelehnt. Die Abrechnung wurde noch vom ausgeschiedenen Verwalter erstellt und war formal ordnungsgemäß. Die Wohnungseigentümergemeinschaft klagte gegen den alten Verwalter auf Korrektur der Jahresabrechnung. Amtsgericht Berlin-Pankow, ra-online (zt/GE 2024, 246/rb) Wettbewerbsrecht [29.04.2024] BGH: Klagebefugnis eines Wirtschaftsverbands bei Anschwärzung eines seiner Mitglieder Anschwärzung muss sich aber gegen Mehrheit der Mitbewerber richten Ein Wirtschaftsverband kann gegen eine Anschwärzung gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG vorgehen, wenn sich diese nicht nur gegen einen der Mitbewerber richtet, sondern gegen die Mehrheit der Mitbewerber. Zudem muss zumindest einer der betroffenen Mitbewerber Mitglied des Verbands sein. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Firma zum Vertrieb von Raucherbedarfsartikel an Groß- und Einzelhändler veröffentlichte im Jahr 2018 auf ihrer Internetseite und auf Instagram ein Video, in dem sie Aussagen über Zigaretten-Eindrehpapier anderer Hersteller tätigte. Ein Fachverband, in dem Hersteller von Eindrehpapieren und -filtern für Zigaretten zusammengeschlossen waren, beanstandete die Aussagen und erhob daher Klage auf Unterlassung vor dem Landgericht Mönchengladbach. Die beklagte Firma hielt dies für unzulässig. Klagebefugt sei ihrer Meinung nach nur die von der Aussage betroffenen Mitbewerber. Sowohl das Landgericht Mönchengladbach als auch das Oberlandesgericht Düsseldorf gaben der Unterlassungsklage statt. Dagegen richtete sich die Revision der Beklagten. Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb) Sozialrecht [29.04.2024] Jobcenter darf Geldgeschenk für Pilger-Reise auf Bürgergeld anrechnen LSG bejahrt Anrechenbarkeit Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat sich in seiner Entscheidung mit der Frage befasst, ob ein Berliner Jobcenter berechtigt war, ein Geldgeschenk als Einkommen bzw. Vermögen auf das Bürgergeld anzurechnen. Das Geldgeschenk in Höhe von 65.250,- € hatten die drei Leistungsempfänger von ihrer Nachbarin erhalten, um nach Mekka reisen zu können. Im konkreten Fall hat das LSG die Frage der Anrechenbarkeit bejaht. Die Kläger – Vater, Mutter und ihr minderjähriger Sohn – leben in einer gemeinsamen Wohnung im Norden von Berlin. Sie bezogen vom Jobcenter unter anderem von Juni 2018 bis einschließlich Dezember 2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Bezeichnung seit Januar 2023: Bürgergeld) nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II). In eben diesem Zeitraum gewährte ihnen das Jobcenter Leistungen in Höhe von insgesamt rund 22.600,- €. Die Mutter kümmerte sich regelmäßig um die Nachbarin der Familie – die pflegebedürftig war. Die inzwischen verstorbene Nachbarin überwies Anfang Mai 2018 einen Betrag in Höhe von 65.250,- € auf das Konto der Mutter. Wie Frau R. später angab, handelte es sich hierbei um ein Geschenk, das dazu dienen sollte, den Klägern den lang gehegten Wunsch einer Reise nach Mekka zu ermöglichen. Die Kläger informierten das Jobcenter nicht über die Geldzuwendung; stattdessen wurde der Betrag noch im selben Monat vom Konto abgehoben. Nachdem das Jobcenter von der Schenkung Wind bekommen hatte, nahm es sämtliche Bewilligungsbescheide für die Zeit nach der Schenkung zurück und verlangte rund 22.600 Euro. Das Jobcenter argumentierte, dass die Kläger im genannten Zeitraum nicht hilfebedürftig gewesen seien. Die hiergegen gerichtete Klage der Familie vor dem SG Berlin blieb ohne Erfolg. Gegen das Urteil des SG Berlin legten die Kläger Berufung zum LSG ein. Sie machten geltend, dass es sich um eine zweckgebundene Schenkung gehandelt habe, die sie von der Nachbarin. als Dank für die jahrelange liebevolle Pflege erhalten hätten. Das Geld hätten sie bestimmungsgemäß verwendet. Die Reise nach Mekka, die sie zu fünft (die drei Kläger sowie zwei weitere Personen) angetretenen hätten, habe sie insgesamt rund 55.600,- € gekostet. Belege zu ihrer Reise könnten sie allerdings nicht vorlegen. Alles sei, wie es der Üblichkeit entspreche, in bar ohne Quittung bezahlt worden.
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, ra-online (pm/ab) Verwaltungsrecht [29.04.2024] Keine Verpflichtung einer Kommune zur Fortführung eines Großmarkts Auflösung des Großmarkts durch Änderungssatzung von der Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung gedeckt Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung verpflichtet eine Kommune nicht, einen als öffentliche Einrichtung betriebenen Großmarkt fortzuführen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Die Antragsgegnerin betreibt seit über 86 Jahren einen Großmarkt als öffentliche Einrichtung.
Rechtsgrundlage ist eine von ihr erlassene Großmarktsatzung. Auf dem Großmarkt bieten
mehr als 100 Händler, darunter die Antragstellerin, überwiegend Obst und Gemüse zum
gewerblichen Weiterverkauf an. Nach mehrjährigen Diskussionen mit den beteiligten Akteuren
entschied die Antragsgegnerin, den Großmarkt aufzulösen. Am 1. Juli 2021 beschloss ihr Rat
die entsprechende Satzungsänderung mit Wirkung zum 31. Dezember 2024. Den dagegen gerichteten Normenkontrollantrag der Antragstellerin hat das Oberverwaltungsgericht
abgelehnt. Die Auflösung des Großmarkts durch die Änderungssatzung sei von der
Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung gedeckt. Eine Pflicht zum Weiterbetrieb des
Großmarkts ergebe sich weder aus dem nordrhein-westfälischen Landesrecht noch aus dem
Grundgesetz.
Bundesverwaltungsgericht, ra-online (pm/ab) |